Das eisenzeitliche Grabhügelfeld und Wagengrab von Bell (Rhein-Hunsrück-Kreis)
Östlich von Bell wurde im Jahre 1938 ein Grabhügelfeld untersucht. Heute ist das
Gräberfeld im Gelände nicht mehr erkennbar, in den ersten Nachkriegsjahren war es
vollständig eingeebnet worden.
Innerhalb der 29 Grabhügel ist ein auffallender Wechsel in der Bestattungssitte
zu beobachten.
Für die älteren Körpergräber wurde eine Grabgrube ausgehoben. Die Grabgruben
waren bisweilen mit Holz ausgekleidet, vereinzelt wurden die Toten auch in Baumsärgen
oder auf Holzbahren niedergelegt.
Den Bestattungen waren Gefäße, Lanzenspitzen, eiserne Hiebmessern oder Ringschmuck
in das Grab gelegte worden.
Anschließend wurde ein Grabhügel über die Grabgrube aufgeschüttet.
Vereinzelt kam es zu Nachbestattungen in den Grabhügeln, möglicherweise wurden nahe
Angehörige in der Nähe des Toten begraben.
Im westlichen Teil des Hügelgräberfeldes finden sich keine Körpergräber, sondern
Brandbestattungen. Unter den Hügeln haben sich die Reste von Scheiterhaufen und
Brandverfärbungen erhalten.
Deutlich in Aufbau und Bestattungsart unterschied sich ein etwas abseits liegender
22 m breiter Grabhügel.
Um die zentrale Hauptbestattung waren zu einem späteren Zeitpunkt in die Hügelschüttung
vier Nachbestattungen angelegt worden.
Die hölzerne Grabkammer der Hauptbestattung war nur 0,2 m tief in den Boden
eingegraben. In der Grabkammer fand sich ein vierrädriger Wagen. Für die Räder waren
eigens Gruben ausgehoben worden, in denen der Wagen stand. Unter dem Wagenkasten
ruhte der Tote.
Neben der Bestattung lagen eine Lanzenspitze und der persönliche Schmuck des Toten,
eine Gewandspange aus Bronze. Reste einer Bastmatte und Wollstoff könnten von der
Unterlage und der Bekleidung des Toten stammen.
Zu den Beigaben zählt auch ein kleiner, aus einem einzigen Bronzeblech zusammengebogene
und vernietete Eimer, eine so genannte Situla, in der Alkoholika serviert wurden.
Das Eimerchen stammt aus dem Tessin und wurde von dort auf direktem Wege an die
Mosel gebracht.
Vom hölzernen Wagen hatten sich nur die eisernen Wagenteilen und bronzene Zieraufsätze
erhalten, sie ermöglichen die Rekonstruktion des Gefährts. Heute ist ein Nachbau
des Wagens im Museum der Burg Kastellaun zu besichtigen.
Die frühkeltischen Wagengräber zeichnen sich durch Reichtum und aufwendige Konstruktion
aus. Vermutlich kam dem vierrädrigen Wagen und der Wagenfahrt eine religiöse Funktion
zu, die eng mit einer kleinen Herrschaftsgruppe verbunden war. Gleichzeitig diente
die Wagenbeigabe der Verherrlichung des Toten.
Die nächsten Parallelen zu dem Wagengrab von Bell finden sich in den Wagengräbern
Süddeutschlands des 6. und 5. Jahrhunderts v. Chr.
Weitere Übereinstimmungen, wie beispielsweise die eingetieften Radgruben zeigen
einen engen Bezug zu den vergleichbaren Gräbern im Marnegebiet.
In Bell vereinen sich an der uralten Fernverbindung entlang der Hunsrückhöhenstraße
süddeutsche Einflüsse mit denen des Marnegebietes und ermöglichten die weit
reichenden Beziehungen des in Bell bestatteten Adligen.
Das eimerförmige Bronzegefäß aus der Grabkammer fertigten Etrusker in Oberitalien,
doch wie gelangte es bis in den Hunsrück?
Die Etrusker in Norditalien nutzten ihren direkten Zugang zu den wichtigsten Alpenpässe
und brachten den nördlichen Zinnhandel unter ihre Kontrolle. Die Nordhandelsroute
führte über verschiedene Pässen, die alle vom Tessin aus auf den Rhein zusteuerten.
Am Mittelrhein hatte sich eine kleine Gruppe von wirtschaftlich erfolgreichen Familienoberhäuptern
herauskristallisiert und begonnen, ihre höhere soziale Position in Bewaffnung, Festen
und Bestattungssitten öffentlich darzustellen.
Als Vorbild für diese kleine Gruppe von Anführer der Hunsrück-Eifel-Kultur wirkte
während des 6. Jahrhunderts v. Chr. die Herrschaftseliten Südwestdeutschland, vor
allem deren Vorliebe für mediterrane Importe als Symbole für Status und Ansehen.
[Martin Thoma]